PBP 2019

 

 

 

 

P-B-P Erfahrungen

 

 

Ankunft bis START | ALLEZ | RETOUR | Nachschlag | Erfahrungen

 

 

Startort | Taktik Plan| tatsächliche Etappen | Essen | Equipment | Krisen | PBP Feeling | Vorbereitung

 

 

 

Rambouillet

Was ein hübscher Ort! Hätte es nur nicht unmittelbar nach dem Zeltaufbau am Freitagabend bis Sonntagmittag, also kurz vor dem Start, kräftig nahezu durchgeregnet, wir hätten es genossen! Dadurch wurden die Schlangen beim Rad-Check ungemütlich und das Kopfsteinpflaster in der Stadt auch mit meinen 28mm Reifen ungenießbar. Dann klebte noch der ganze Dreck der sehr weitläufigen und z.T. unbefestigten Wege auf dem Gelände der Bergerie, einem "Bauernhof" an uns, denn „PBP in Rambouillet ist keine Veranstaltung der kurzen Wege!“, ich zitiere Pjotr. Tatsächlich etwas, was man bei der Zeitplanung  berücksichtigen muss.

Zum Glück kannten wir auf dem Zeltplatz, Huttopia ca. 4 Kilometer von der Bergerie entfernt, Thomas mit seinem Bully. So konnten wir wenigstens zusammen im Trockenen sitzen, essen und quatschen.

Und dabei immer wieder sein Rad bewundert!

Nach dem Ritt zeigte sich im prallen Sonnenschein der ganze Charme dieser wundervollen Stadt und auch der Bergerie. Sie diente nicht zu Unrecht schon Staatsempfängen als Kulisse! Auch der Zeltplatz war einfach schöner im Trockenen.

Zum Start hin wurde es trotz weitläufigem Gelände dann auch ziemlich voll auf den verschlungenen Wegen der Bergerie.

 

Der Ritt: Ein Taktik-Plan

Ich werde auf jeden Fall alleine fahren, notgedrungen, weil ich keinen erprobten Begleiter hatte und Zufallsbekanntschaften müssten passen oder super sein, sonst wird gegenseitiges Warten zum zeitfressenden NoGo. Mich haben daneben am meisten die Schilderungen von langen Schlangen gestört, bei denen man Zeit verliert, ohne sich zu erholen. Darum reifte der Plan: auf dem Hinweg generell möglichst schnell zu sein und nach Quedillac oder Tinteniac möglichst nonstop mit zusätzlicher Wasserversorgung per Trinkrucksack und viel Nahrung durch die erste Nacht zu fahren. Denn mit meiner Startzeit 18:30 lag ich im vorderen Feld der 90 Stunden Starter und hatte mit meinem Plan eine realistische Chance, den Massen vorwegzufahren. Die schnellen Starter vor mir würden schon kein Problem darstellen. Obwohl 3000 Starter vor mir lagen, sie mussten sich ja noch mehr beeilen, um ihr Zeitlimit von 80 Stunden zu schaffen. Alle 15 min. starteten Wellen a 300 gestaffelt nach den Zeitlimits.

Sonntag ab 16:00 (Zeitlimit 80h), ab 18:00-21:00 (90h), Montag ab 5:00-? (84h)

Zwei Stunden Schlaf nach ca. 370 km waren geplant, weil mir ein solcher Schlafrhythmus - vor dem kaputt Sein schlafen - beim letzten 600er ausreichend Kräfte bis zum Ende und darüber hinaus verlieh. Was dann kommen wird, nach 600 gefahrenen Kilometern ab Brest, war Neuland, von dem ich mich überraschen lassen wollte. Wenn alles passt, dann habe ich bis dahin ein Zeitpolster heraus gefahren.

Zu viel Planung birgt zudem das Risiko des nicht Erfüllens und somit die Möglichkeit zum Runterziehen, gerade dann, wenn man nicht mehr so frisch ist. Also nach Brest schauen was kommt!

 

Die gefahrenen Etappen

Moderat zügig zu starten, ohne in den roten Bereich zu kommen, gelang. Wie geplant erfrischte der erste Schlaf-Stopp in Tinteniac gut und nahm wenig vom Tag. 360km, 3270HM

In Brest war ich dann schon müde, aber die Schlafplätze belegt und irgendwie war es ungemütlich dort. Ein Bier und ein Powernap unbekannter Länge erfrischten mich, um - langsam - weiter zu fahren. 250km, 2440 HM

Auf dem Weg nach Quedillac war ein weiteres Powernap notwendig. Dort gegen 19 Uhr war klar, weiter fahren geht/will ich nicht. Hier war alles herrlich leer, also duschen und schlafen. Danach etwas gegessen und vor Mitternacht los.

228km, ca. 2200HM

In Tinteniac startete quasi mein letzter Tag auf dem Rad. Das Schläfchen und die Gesellschaft vieler Mit(leidender)streiter haben mich mit Gesprächen fit gehalten, um die letzten (!) 24 Stunden ohne Schlaf fahren zu können. 379km mit 3400HM

Der Plan ist voll aufgegangen. Bei mir waren die Kontrollen immer leer, aber dadurch ergaben sich auch zu Beginn nie größere Gruppen gegen den Wind und schon gar nicht für längere Zeit. Da ich die letzten 24 Stunden nahezu mit einem gleichen Brutto Schnitt durchfahren konnte, deutet an, dass ich nicht am Anschlag war. Hatte ich mein Tempo gefunden, was nun vor allem durch mehrere kleinere Pausen geringer aussieht, als ich letztlich gefahren bin?

Bei der Auswertung der Zeiten zeigte sich, dass ich über den Daumen gepeilt nach ca. 400km immer mit einer durchschnittlichen Netto Reisegeschwindigkeit von 21-22 km/h unterwegs war.

Die Dauerpower in den Beinen, die ich aus der Brevet Serie kannte, hat mich wohl Dank dieser sanften Fahrweise auch hier nie im Stich gelassen. Die Gründe für die zunehmend häufigeren Pausen auf dem Rückweg waren vielfältig: Rücken/Oberkörper/Hand/ . . .  Entspannung, der Müdigkeit gezollt, essen müssen, mal was anderes tun, . . . . die Beine waren es nie.

 

Ernährung

Für die erste Etappe hatte ich Wurst, Käse, Vollkornbrot, Studentenfutter (400g) und ein paar Riegel dabei. Dazu gab es noch Mineraldrink-Pulver für die gesamte Strecke und 6 Gels für den Notfall. Kann man machen, muss man nicht unbedingt machen, denn eigentlich kann man (fast) alles, (fast) überall kaufen.

Im Weiteren habe ich drei warme, größere Mahlzeiten gegessen und jede Menge Baguettes (mit Liebe geschmiert und köstlich) sowie ab dem zweiten Tag eine immer gleiche Gemüsesuppe an vier Stationen und jede Menge Kleinkram (Croissant, Obst, Milchreis etc.). Das hat mich deutlich unter 100€ (bar) gekostet.

Gegessen habe ich zwar gut, aber so im Nachhinein gefühlt eher so viel, wie ich ohne Radfahren auch gegessen hätte; die Hosen rutschten danach schon leicht von der Hüfte. Mehr essen wäre wahrscheinlich gegangen. Wobei viel mehr während des druckvolleren Radelns auf dem Hinweg Schwierigkeiten mit der Verträglichkeit gegeben hätte. Auf dem Rückweg mit seinen vielen kleinen Pausen wäre das leichter gegangen.

 

Equipment: Rad, Taschen, Licht

Ja, der Bock war schwer, was aber bei der Topographie der sanften, längeren Steigungen kein Problem darstellte. Mit 34:32 wäre ich am Ende eh jeden Berg hochgeschlichen, ein oder zwei Kilo mehr oder weniger - egal. Ich würde nur den Schlafsack weglassen, siehe Packliste.

Der Fahrkomfort und die Fahrsicherheit waren dank der 28 mm Reifen mit den ca. 6,5 bar, dem flexenden Titanrahmen mit Komfortgeometrie und der federnden Sattelstütze (Danke Uwe) überragend.

Arschrakete und Frameback von Ortlieb, sowie eine kleinere Oberrohrtasche boten genug differenzierten Stauraum. Der Air one Trinkrucksack von Deuter war super. Auch voll stört er nicht und ohne Wasser war er nur mit den Wechselklamotten (Arm- und Beinlingen, langen Handschuhen, Buff, Windjacke) für die Nacht/Tag-Wechsel gefüllt. So konnte ich bei den Kontrollen, ohne zu kramen, alles dabei haben und selbst mit schwindenden mentalen Fähigkeiten gegen Ende, konnte ich nix vergessen, wenn ein Klamottenwechsel anstand.

Ein Son Nabendynamo und die 100lux Lampe samt Rücklicht von B&M gaben ein super Licht. Eine LEDLenser H7 mit Batterien war die Notfalllampe und sicherte bei Abfahrten mit ihrem 150 m Spot in jeder Kurve das gute, sichere Gefühl ab - bremsen überflüssig! Das haben auch meine Mitfahrer*innen genossen. Mit zwei Klettbändern war sie sicher befestigt und kam dann tagsüber in den Rucksack.

Was ist schief gegangen: Vor dem Start war der Trinkrucksack undicht, bei der zweiten Kontrolle wusste ich warum, konnte es reparieren und habe den Sack jetzt entsorgt! Das hintere Schutzblech klapperte, ließ sich aber provisorisch stoppen. Alles Dinge, die vorher nicht gut getestet waren . . . .

 

Krisen

Ja, noch im ersten Drittel muckt mein rechtes Knie, was es sonst nicht tut. Ruhe bewahrt verging das und wurde irgendwann vor Brest von schlappen Trizeps abgelöst. Ich hatte echt das Gefühl, die halten den Oberkörper nicht mehr hoch?!? Bei Abfahrten dann den rechten Unterarm auf den Lenker abgelegt, das hat das Problem mit den Trizeps langsam aus meinem Kopf gehen lassen. Aber der linke Rückenmuskel hat es mir später im Ziel nicht gedankt und jetzt hab ich noch zwei kribbelige Fingerspitzen der linken Hand, die durch das Ablegen rechts viel mehr halten mussten . . .

Nach dem höchsten Berg vor Brest, dem Roc’h Trévezel (knapp 400mNN), war ich müde und bin mit einer schweigenden Gruppe Franzosen mitten in der Nacht in die Stadt hinunter gefahren. Ein kurviger Kurs im Dunklen, kein Meerblick, kein Bild auf der Brücke wir sind einfach bis zur finalen Rampe in der Stadt durchgefahren bis zur Kontrolle - schmucklos - mein persönlicher Tiefpunkt. Essen, ein Gespräch mit Arun und ein Bier gepuschtes Powernap haben mich schnell wieder aus der Stadt und damit aus meinem Tief heraus gebracht. Bewusst müde beim Fahren war ich dann nur noch einmal tagsüber, nach einer Kontrolle, bei der ich zu lange auf dem Boden meinen Rücken mit Gymnastik gepflegt habe, verging aber schnell. Die Nachtfahrten waren top und schöne Reisen nach innen.

Ja, auch der Magen meldete sich deutlich und 3 Riopan Gels waren nicht genug. Dank offener Apotheken gab es Nachschub, den nicht nur ich genutzt habe. Auch diese gehören schnell erreichbar!

Mein Hintern muckte irgendwann und hat in der Woche danach nicht mehr mit mir gesprochen. Irgendwie hatte ich das Nachschmieren vergessen, Creme gehört in den Rucksack!

Regen: Hatten wir nicht! Aber in vielen Gesprächen waren wir uns einig, je mehr Regen zu all dem noch dazu kommen würde, desto unwahrscheinlicher wird das Ankommen.

"Der Körper fährt dahin, wo der Kopf schon ist!", ein Zitat von Guido aus einem Podcast beschreibt sehr treffend, wie mensch aus Krisen hinaus kommt! Ja, das geht (aus)geschlafen und mit vollem Bauch besser . . . .

 

PBP-Feeling

Am Startort generell, in jeder Schlange der Organisation, beim Essen in Restaurants, auf dem Zeltplatz - Randonneure (nicht einfach nur Rennradfahrer) aus aller Herrn Länder mit ihren meist individuellen Räder so weit das Auge reicht. Wo sonst Lackwaden in profinahen Outfits und Carbon-Boliden bei Rennen etc. den Ton angeben, glitzerten nun meist Schutzbleche und breite Schluppen an Rahmen, die aus der Schmelze kamen und oft mit Lenkertaschen ausgerüstet waren. Gesteuert wurden sie von Fahrer*innen in retroverdächtigen Randonneur Outfits, in Landesfarben oder sonst wie geschmückt.

Auf dem Weg zur Radkontrolle fühlte es sich noch nicht so an, als ob wir dazu gehören würden. Staunend die Räder und die Nationen angeschaut. Dieser ältere Mann mit Fliege und nem sehr alten 1x8 (?) Rad, kam mir bekannt vor. Ja, ist es der Engländer aus dem NDR Film?!

Schlange stehen für die Unterlagen, umsehen . . .

und irgendwann waren wir ein Teil von PBP!

 

Ständige Begleiter auf der Strecke waren die unzähligen Menschen: von Mutter mit Kind und 1,5l Wasser, über Familien, die auch nachts in der Kälte aushielten, um uns mit heißen Getränken, einem meist radebrechenden Plausch und Kleinigkeiten zum Essen versorgten, bis hin zu den Menschenmassen an den Kontrollpunkten, die uns zujubelten - WAU! Ihr Klatschen und ihre Rufe noch im Ohr: "Bravo! Bonne Route! Bonne Courage!"

Auf dem Hinweg irgendwann kurz ein italienisches Pärchen getroffen, Ilse aus Belgien und Arun aus Indien kennen gelernt, auf den letzten gut 350 km mit meinen Jungs aus Seattle eine gute Gruppe mit Unterbrechungen gebildet, den „alten“, crazy Sack aus Köln bei unzähligen kleinen Stopps näher kennen gelernt, sowie mit dem gemischten Quartett (China, France, Spain, Germany) die letzte Etappe beendet und - wichtig - gemeinsam, jubelnd nachts durchs Ziel gefahren! Dann gab es internationales PBP-Feeling pur, was ich auf den ersten Etappen schon etwas vermisst hatte.

Dazu gehörten auch die Massen von Spezialrädern: wie die Klappräder vieler Asiaten, Liegeräder, Fatbikes, Velomobilen, Tan- und Tridems.

Das Treffen der deutschen Starter*innen gehörte auf jeden Fall auch dazu, denn alte und neue Freunde des Randonneur-Sports haben sich getroffen, geratscht und gemeinsame Fahrten verabredet!

 

Vorbereitung

"Wer im Weserbergland die Quali-Serie fährt, der muss sich bei PBP keine Sorgen machen.", ein fast wörtliches Zitat, dem ich voll zustimmen kann! Obwohl ich zeitweise genug Sorgen hatte.

Einen 600er mit Nachtstart habe ich zwei mal gemacht und viel für die 1200km gelernt, ein 600er mit Tag Start ist echt etwas anderes.

Beim 600er Weserbergland Brevet zu Beginn 150 km nachts durch einsame, leere Gegenden bis zur ersten Kontrolle zu fahren, war (fast) 1:1 das, was zu Beginn bei PBP bis zur ersten Verpflegung anstand.

Brevets im Mittelgebirge waren für mich ideal, weil sie noch ein wenig mehr und zudem steilere Höhenmeter beim "Training" bereit hielten.

Ein 400er, ein flacher und ein bergiger 600er sowie die mittelgebirgs Qualiserie reichten locker als Brevet/Material-Erfahrungen, zumal es bei PBP schon viel rundum Versorgung gibt.

Gut 10 Jahre mit jeweils 10.000 Jahreskilometern und jeder Menge bergiger oder alpiner Marathons sowie 6 Solostarts bei Rad am Ring, für Durchhaltefähigkeit und Nachterfahrungen, runden das Bild ab, was ich tun musste, um es gut - nicht locker - zu schaffen, in 77 Stunden zu finishen.

 

 

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