Dimensionen verschieben sich

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2017 zweites Brevet, ein 600er der Ostfalen Randonneure

HOME | Veranstalter | STRECKE in Bildern

 

Zurück im Auto nach den 600km, müde aber nicht kaputt, (noch) nicht jubelnd, eher kopfschüttelnd zufrieden, schweifen die Gedanken zurück. Nach meiner hektischen Vorbereitung, die unmittelbar bis zur Nacht vor dem Start andauern musste, saßen mein Rad-Buddy und ich nach einer sehr kurzen Nacht bei der Hinfahrt im Auto voll mit Adrenalin und deshalb aufgeregt, was mag uns erwarten?!?

Die größte und zugleich einfachste Erfahrung war: Es geht!

Nach kurzer Nacht, am „Morgen danach“ leicht zweifelnd das Stadtrad in die Hand genommen, um damit zur Arbeit zu fahren. Kein Problem mit dem Körper, ok der Nacken ist noch etwas hart, die Beine aber pedallierten willig mit obwohl der Geist noch nicht ganz da war, auch das im Sattel sitzen – kein Problem; unglaublich!

Dabei waren wird uns über das Gelingen dieser Mission im Vorfeld nicht so sicher. Denn trotz aller unzähliger Marathon-Kilometer in den letzten Jahren und Höhenmeter-Härten sowie Nacht-Erfahrungen bei den 24 Stunden in der Grünen Hölle (Rad am Ring), wir haben bei unserem einzigen Brevet davor gemerkt, dem 400er letztes Jahr, Brevets sind anders als komerzielle Events und haben zusätzlich zu den sportlichen vor allem anderes geartete Schwierigkeiten. Dort wird ein niedriger Schnitt meist aber für eine längere Zeit gefahren, das lässt einen deshalb mehr von der Strecke erleben, man ist aber einsamer unterwegs und zudem fehlt jegliche Unterstützung/Komfort wie: Wegbeschilderung, technischer Support samt Rückholdienst, aber vor allem fehlt die Versorgung mit Essen und Trinken. Gerade letzteres „kostet“ viel Zeit beim Brevet und braucht oft Vorüberlegungen, denn die Strecken liegen oft bewusst in einsamen Gebieten oder man durchfährt sie zu Unzeiten für Ladenbesitzer. Auch nicht jede Tankstelle hat 24 Stunbden auf, wie wir im Weserbergland bei einer vermeindlichen 24 Stunden Tanke gemerkt haben. Und nun sollten wir auch noch eine Übernachtung einplanen; kann das klappen?!?

Kriesen kommen und gehen

Am Wendepunkt in Kühlungsborn waren meine Beine „durch“ und zittrig, da machte sich dann doch der Gegenwind und die relativ hohe Durchschnittsgeschwindigkeit der ersten Hälfte bemerkbar, wie damit 300km(!) zurück fahren?!? Nach der Lasagne war klar, es fehlte neben einer längeren Pause auch ein wenig an Brennstoff und weggeblasen waren die aufkommenden Zweifel. Mit dieser Erkenntnis wurden die Backshops der Kontroll-Tankstellen Hot Spots der Begierde, ich sage nur Ei-Brötchen, aber auch Döner „mit alles“ ist nicht zu verachten und trotz der fettigen Saucen nicht schädlich (für mich), allen Unkenrufen von Mitradelnden zum Trotz! Und so gerüstet konnten wir dann die am Ring so oft geliebte Nachfahrt auch jetzt wieder genießen. Man kippt zwangsläufig nach innen, weil das Außen immer schwärzer wird. Ich konnte nach der Nacht nicht gut im Windschatten fahren, das monotone Gekurble vor mir hat mich eingelullt und das Spiel der Ritzel fast hypnotisiert - vorne fahren weckte die Geister! Irgendwann tat der linke Arm und die rechte Hand richtig weh, nicht wie befürchtet der Hintern, der muckte kein Stück. Aber wie mit diesen Schmerzen noch 150 km fahren?!? Dehnen, entlasten umlagern und dehnen, entlasten, . . . . . und irgendwann danken es die gequälten Gliedmaßen und schweigen wieder. Verrückt, wie einen der Gedanke an eine Herausforderung ruhiger werden lässt und ungeahnte Kräfte mobilisieren kann - läuft!

Und irgendwann bist du „drin“.

Eine gerade Straße gen Horizont ist dann nicht mehr „endlos“ sondern ein Stück Weg, mit neuer, unbekannter Aussicht, auf einem Teilstück bis zur nächsten Kontrolle; noch Zweihundert Kilometer bis zum Ziel, sonst gerne mal eine Marathondistanz über die man grübelt, wird zu der Hälfte an Strecke, die man schon gefahren hat! Aber was ist schon die Hälfte von etwas Erreichtem; „Wie lange brauchen wir wohl dafür? Wenn´s schlecht läuft 10 Stunden!“ Das erschreckte Augenaufreißen weicht der Erkenntnis, dass wir schon über 24 Stunden unterwegs sind, was sind da 10 Stunden . . . . . . .  . Dann surrten wir geschmeidig dahin und genossen die wunderschöne Landschaft und die Beine spielen mit, bei unserem (langsamen) Tempo. Selbst die Häufung der Höhenmeter zum Schluss konnte uns höchstens bremsen aber nicht aufhalten!

Mit nur drei Tagen Abstand erscheinen solche Geschichten und Gedanken schon wieder absurd, denn ich habe heute schon einiges getan, bin aber noch lange nicht 10 Stunden wach und diese ganze Zeit nichts tun außer links treten, rechts treten, links . . . . ?!?

Was kaum geklappt hat war die Nacht!

Wäre das Wetter uns nicht so hold gewesen hätte dies ein Punkt zum Scheitern werden können, denn unser Equipment war an dieser Stelle mies: Unterlage und Zudecken zu dünn! Ich konnte leidlich nickern, mein Buddy aber hat vor Kälte kaum ein Auge zugemacht. Überhaupt war das Einschlafen nicht trivial nach all der Aktivität vorher. Als wir einige Zeit vor der Übernachtung von einem P-B-P Veteranen aufgefahren wurden - ich sage nur markante Weste- und gegenseitig unsere Planungen abklopften, lächelten wir noch verwundert über seinen Ansatz: „Fahren bis kurz vorm Umfallen, dann klappt das auch mit dem Einschlafen!“ Selbst ruhelos auf der dünnen Matte über hartem Steinboden rollend, erschien es uns nun als perfekte Idee! Dennoch, ein Powernap (Versuch) im weiteren Tagesverlauf reichte aus, um fit und konzentriert zu bleiben.

Equipment, der Rest war – gut!

So schön wie es beim ersten Brevet war „old school“ zu navigieren mit eingeschweißtem Roadbook am Lenker, ich will mein Garmin GPSmaps64s nicht mehr missen! Ohne Aufzeichnungsmodus und mit ruhender Anzeige habe ich zwei Paar (!) Batterien gebraucht. Die Taschen über und unter dem Oberrohr sind nicht nur zusätzlicher Stauraum zur Ortlieb Satteltasche gewesen sondern halfen auch, Ordnung zu halten und schnell an Dinge heran zu kommen. Die gründliche Inspektion vorher (Züge, Decken, Kette, Bremsklötze, Fließfett statt Öl, Lagerkontrolle,neue Pedalen) ließ den „grünen Geparden“ geschmeidig rollen, ohne dass sich sein Reiter über irgendwas Gedanken machen musste und so den Kopf frei hatte. Nahe der kürzesten Nacht, mit Restmond und abzüglich der Nachtruhe war die Beleuchtungsfrage Nebensache. Eine Sigma Karma als Streckenausleuchtung mit Lenkerhalter und eine LEDLenser H7R.2 Stirnlampe als "Kurven"- und Reparaturlicht und zwei Rücklichter waren mehr als ausreichend. Die medizinische Ausrüstung Wundcreme (mein Tipp: Mirfulan auch als Prophylaxe) und abgefüllte 50er Sonnenmilch wurden gebraucht.

Was war nicht alles mit und wurde nicht gebraucht:

Ein Schloss (SnapLock von Burgwächter, 600g) habe ich ebensowenig gebraucht wie die Ersatzbatterien für Stirnlampe und Rücklicht, ein Paar für das Navi schon. Havarieschutz: 3 x Ersatztschläuche samt Flickzeug, ein Satz Bowdenzüge und weitere Kleinteile habe ich nicht gebraucht, würde ich aber immer wieder mitnehmen. Wechselwäsche: einen kompletten Satz Klamotten, falls es regnet, damit vor allem der Poppes nicht aufbegehrt, da es trocken war - nicht verwendet. Mütze, Weste, Buff, Arm- Knie und Beinlinge sowie lange Handschuhe und Regenjacke  der Kälte am Morgen wegen, habe ich alles gebraucht.

Bike Buddies

Einige sind meist alleine unterwegs gewesen, das wäre nix für mich! Ich kann mir das von der Kraft - kein Windschatten - mittlerweile vorstellen, denn ich mag Wind und bei dem Brevet-Speed ist der Luftwiderstand nicht so hoch, aber alleine NO GO! Das Teilen von Erlebnissen brauche ich genauso, wie das gegenseitig aufeinander Aufpassen, wie den wechselseitigen Job des „Wasserträger für den Kapitän“. Das für jemand anderen da Sein, ist etwas, das mich zusätzlich motiviert und so auch eine (mentale) Kraftquelle darstellt.

 

Veranstalter

Was Hartmut & Co in Warberg (Ostfalen Randonneure) planen lässt keine Wünsche offen. Kommunikation und nach Etappen aufgeteilte Tracks ohne Fehl und Tadel; gerade auch die handlichen Kartenausschnitte für den Notfall - DANKE! Dass die Strecke der Topographie gezollt vor allem am Ende hügelig wird, wenn ich das nicht brauche, dafür können sie ja nix. Gerade auch das Bier und den Snack im Ziel, einfach gut!

Zahlen

Brevet-Dauer 35,5 h, reine Fahrtzeit 26 h, 9,5 h Pause (3,5h Nacht, 1x Lasagne, 1x Döner, 5x Kontrolle, Snack-Pausen, Pinkel-Pausen, . . . .), Strecke 630 km, Netto-Schnitt ca. 24 km/h, Brutto Schnitt > 18 km/h, Höhenmeter 2800 , Durchschnitt HRF 104, 80€ für "Treibstoff", 34 Starter, 26 Finisher, davon 8 Rookies, DNF 25% gefühlt viel für ein flaches Brevet bei gutem Wetter.

 

Hier die Anzahl der Ankommenden in Abhängigkeit von der benötigten Brutto-Zeit [min].

Die minimale und die maximale Dauer orientieren sich an den vorgegebenen Grenzen, die als Durchschnittsgeschwindigkeiten vorgegeben sind: min. 15 und max 32km/h.

Minimum?!? Wikipedia weiß Rat:

"Ferner sind Mindestzeiten, welche verhindern sollen dass "Rennen" innerhalb der Brevets ausgetragen werden, üblich."

 

Veranstalter | STRECKE in Bildern