An einem Brevet teilnehmen. . .

 

 

 

 

manche Ideen brauchen lange, um umgesetzt zu werden!

Regenbogen über´m Weserbergland 

Gereizt haben mich die geerdeten Veranstaltungen der Randonneure immer schon, keine Rennen, kein Kommerz, eher ein Miteinander und, es geht eigentlich um lange, richtig lange Strecken. Doch die Entfernung zum nächsten Brevet-Startort, Hess. Oldendorf, der Weserbergland Randonneure machte die Teilnahme bisher unmöglich: 200 km in den Norden mit dem Auto, um 200 km mit dem Rad nach Göttingen und wieder 200km zurück nach Hess. Oldendorf zu fahren, um dann wieder 200 km mit dem Auto . . . für 400km Radfahren 400 Auto?!? Das konnte es nicht sein!

Doch das Thema ließ mich immer mal wieder auf die Seite schauen und plötzlich 2016 dies: zweiter Startort Grebenstein, ganz bei uns in der Nähe!

Aber momentmal, gleich 400km beim ersten Brevet?! Zweifel kamen auf, nicht unbedingt wegen der Strecke, die Distanz bin ich mit mehr Höhenmetern bei Rad am Ring schon mehrmals in 24 Stunden gefahren. ABER ein Brevet ist anders, Strecke mit Roadbook suchen, selber Verpflegung organisieren, zur Not auf sich alleine gestellt sein, . . . . .

Doch was einmal gedacht ist, kann nicht zurück gedacht werden!

Mit meinem Radkumpel beschlossen, wir versuchen das! Somit hatte das Wintertraining neben unserem Jedermannrennen und den avisierten Marathons einen weiteren Sinn. Zudem haben sie in Bimbach erstmalig einen 400er an zwei Tagen ausgerufen, gute Gelegenheit für ein gemeinsames Training der Streckenlänge, dann reifte die Idee am Vatertag vorher auch schon mal 400 km auf noch mehr Tage verteilt zu fahren; effektiver Trainingsaufbau!

400er auf drei Tage verteilt | . . . auf zwei Tage | . . . Finale: in 24 Stunden!

Das Equipment wurde gesichtet, im Netz Tipps eingeholt und kleine Lücken geschlossen. Das erste Brevet in klassischer Roadbook Manier (eingeschweißt an den Lenker), wenn´s nervt kann man ja später elektronisch nachrüsten. Für die wenigen Nachtstunden kein Nabendynamo mitschleppen sondern Helmleuchte (Sigma Karma) und StvO zugelassene Batterieleuchte (Sigma Ixon 40 Lux), Schutzbleche gegen den angekündigten Regen, Ötztaler give away Rucksack (kleinster von Deuter) statt der schwereren Tasche für die Sattelstange mit Ersatzklamotten, Oberrohrtasche für die Vollkornbrote mit Wurst und Käse, gegen den Riegel- / Gel-Mix, große Satteltasche mit Flick- und Ersatzzeug, zwei Rücklichter und schon wurde aus dem Rennrad ein Randonneure-Rad!

 

Alles lief gut in der Vorbereitung, bis zum Jedermannrennen, bei dem ich stürzte und mir drei Finger mit Absprengung von Knochenleisten mächtig verdreht habe. Geht es weiter?

Nach einer Woche Gips, gab es kleine Schienen und mit ihnen erste positive Versuche auf dem Stadtrad, nach zwei Wochen nen Rennradcheck und dann gleich die erste 100er Runde; für die Hand war Radfahren Labsal!

Also stand dem Programm nichts mehr im Weg, Glück gehabt! Beide "400er" liefen gut und somit stand dem Start zum 400er nichts mehr im Weg.

 

Als Rookie entsprechend nervös um 6:30 am Startort in Grebenstein angekommen, 10 Mitstreiter, die meisten Wiederholungstäter, klar sind die ehrfurchtgebietenden Worte "Paris Brest Paris" gefallen. Startkarte bekommen, Kaffee getrunken, Rad fertig gemacht, ARA-Kleber auf die richtige Helmseite, damit die Starter aus dem Norden einen auch erkennen, Bild gemacht und los ging´s!

 

 

 

Woran merkt man am Start, dass man an einem Brevet teilnimmt und nicht an einem Jedermannrennen? Das Feld ist deutlich kleiner, ein MTB fährt mit, . . .

. . . jedenfalls nicht am Speed, denn die sechs Racer haben uns in den Hügeln des Reinhardswaldes an unsere Pulsschwellen gebracht, nach 15 von 400km! Wir haben abreißen lassen und wussten damit: ein Pas des deux für 385km.

Die Racer waren uns auf dem Bild eigentlich schon entfleucht, hätte ihr Navi sie nicht . . . . Vom Reinhardswald ging es über einsame, wellige Straßen und die Hochebenen des Oberwälder Landes zur ersten Kontrolle einer Tankstelle in Borgentreich.

"Die Anderen sind erst seit ner Viertelstunde weg!", . . . erst?!?

 

 

 

 

 

 

Die erste Zange, Kontrolle Rheder, war echt aufregend, wir haben Jahrzehnte vorher nie eine Kontrolle "suchen" müssen.

Weiter ging´s durch das zunächst sanfte Lipper Bergland zur Zange bei Silixen hinterm Berg und weiter nach Vlotho, dem westlichsten Punkt unserer Reise. Auf dem Weg dahin so richtig nass geworden und immer wieder Höhenmeter gefressen, doch zum Glück kam die Sonne heraus und so wurde es nie kalt. Trotzdem kamen trübe Gedanken ob wir 400 km mit viel Regen fahren können?!?



 

Ein Imbiss war unsere Rettung, denn die Strecke ist dünn besiedelt und man sollte rechtzeitig an Wassernachschub denken. Wenn du einen Laden in der Gegend brauchst, dann gibt es keinen oder er hat am Samstagmittag schon zu!

Wellig flach die letzten Kilometer nach Vlotho dort die erste längere Rast in der Kontrollstellen Tanke Rückenwind, flach bis zum Mittag und damit bis zur Hälfte der Strecke gehen.

 

 

Das Wetter hielt bis zur Abfahrt bei Uwe in Großenwieden. Dort gab es klasse Gulasch mit Nudeln und einen richtig netten Gastgeber. Beim ersten Brevet waren wir aufgeregt-gehetzt, so dass wir den Kaffee völlig vergessen haben, beim nächsten Mal, Uwe!

Zunächst trocken ging es am Rand von Süntel nach Lauenau zur nördlichsten Kontrolle, klar, dass mal wieder Regen im Spiel war, es sollte der - fast -letzte werden. Am Rand des Deisters kamen dann die letzten Tropfen herunter; ab Coppenbrügge war damit komplett Schluss.

Ein Wort zu den Menschen an den Kontrollen: Da wir nicht die ersten waren, mussten wir sowieso nie unser Ansinnen erklären, dennoch haben aber alle Stempler nachgefragt, uns aufgemuntert und waren einfach total nett, trotz der doch etwas ungewöhnlich (riechenden) Menschen *grins*

 

Auf die 300 km zufahrend dreht sich die Pedale nach den kurzen Hügeln im Flachen wieder locker. Der Ith stellt den letzten großen Klotz dar, der bei Sonnenschein aber jeden Schrecken verloren hat, hier ist es einsam, warm und schön!

 

 

Bei der Kontrolle Föllziehausen genießen wir die Abendsonne und planen den letzten Abschnitt im Hellen. In Bodenwerder müssen letzte Vorräte gebunkert und die Nachtauglichkeit hergestellt werden. Beim Anziehen geht der Reißverschluss an den Überschuhen kaputt. Der total nette Tankwart zückt sein Werkzeug und lässt mich in seinem Verkaufsraum auf dem Boden mein Zeug flicken; immer wieder nur nette Menschen getroffen.

 

Die Nachtfahrten - vom Nürburgring her bekannt und geliebt - gaben zum Einstieg mit einem wunderbaren Sonnenuntergang über der Weser ihr Bestes. Kaum Dunkel, werden 300 km gefeiert, mein Maximum bisher 270 km bei der Platinrunde des Alpenbrevets. Schon treffen wir das Grupetto der im Norden Gestarteten wieder, wie bereits nach 100 km; pünktlich wie die Maurer, obwohl sich dieser Haufen mittlerweile über ca 50 km verteilt hat - wie unserer wohl auch.

 

Am Rand vom Solling Kohlenhydrat- und Batterie-Energie nachschieben. In Beverungen hat die Kontroll-Tanke schon zu, als wir gegen 11 Uhr eintreffen. Doch die ungläubig staunenden Menschen im Imbiss waren noch viel besser. Kopfschüttelnd unsere ausgelassene Stimmung betrachtend, weil sich zwei zweier Teams, die in gegensätzlicher Richtungen unterwegs sind, getroffen haben. "Wie, ihr bekommt das nicht bezahlt", "Wann arbeitet ihr denn?", viele gute Fragen!

 

Nochmal rein in die Solling Berge zum Schloss Nienover, danke Uwe, um dann bis zum südlichsten Punkt mit Highspeed am Wasser flach durch die windstille Nacht zu rollen. Zum Glück war die Strecke ein Heimspiel für uns und wir brauchten das Roadbook nicht mehr. Hier hat sich mein Hirn ausgeschaltet, ich war müde. Jetzt machten sich die harten Arbeitswochen bemerkbar; ich hätte gerne geschlafen - aber das lohnte sich bei so wenigen Kilometern als Restprogramm nicht. Auch der Hintern meldete sich, kein Wunder, so oft wie wir richtig nass geworden sind. Aber die Beine haben das Windschattenfahren durch die Nacht mit fast 30 Sachen im Schnitt geliebt!

Freudsche Fehlleistung des müden Kopfes nach den flachen, schnellen Kilometern bis zum "letzten" Anstieg: Auf dem Weg aus dem Fuldatal hinauf zu den Hügeln wussten wir, es geht noch einmal ordentlich hoch! Das hatten wir wohl zu wörtlich in Erinnerung: "Du hast gesagt hier geht es nur noch EINMAL hoch, für so was sind auch schon mal Freundschaften gekündigt worden!" Harte Worte (halb) im Scherz eines dann doch auch müden Zweit-Hirnes, wenn statt eines Hügels plötzlich noch ein paar Wellen mehr kommen, nachts um 2 Uhr irgendwo im Nichts in Hessen.

 

Aber schließlich: Ein Bild sagt mehr als Tausend Worte

400 km , 4000 HM in 20,5 Stunden

 

Super schöne, ruhige Strecke; Roadbook ohne offene Wünsche, Kommunikation und Mitfahrer einfach nett! Gerne wieder, es war eine großartige Erfahrung!

 

Fazit: Vorbereitung, Equipment, Fitness haben super zur Strecke gepasst; ein Wagnis, wie im Vorfeld auch mal befürchtet, war es nur in der Vorstellung.

Wir denken über 600 km nach . . . . . .