Aber momentmal, gleich 400km beim ersten Brevet?! Zweifel kamen auf,
nicht unbedingt wegen der Strecke, die Distanz bin ich mit mehr
Höhenmetern bei Rad am Ring schon mehrmals in 24 Stunden gefahren. ABER ein Brevet
ist anders, Strecke mit Roadbook suchen, selber Verpflegung
organisieren, zur Not auf sich alleine gestellt sein, . . . . .
Doch was einmal gedacht ist, kann nicht zurück gedacht werden!
Mit meinem Radkumpel beschlossen, wir versuchen das! Somit hatte das
Wintertraining neben unserem Jedermannrennen und den avisierten
Marathons einen weiteren Sinn.
Zudem haben sie in Bimbach erstmalig einen 400er an zwei Tagen
ausgerufen, gute Gelegenheit für ein gemeinsames Training der
Streckenlänge, dann reifte die Idee am Vatertag vorher auch schon
mal 400 km auf noch mehr Tage verteilt zu fahren; effektiver
Trainingsaufbau!
400er auf drei Tage verteilt | . . . auf zwei Tage | . . . Finale: in
24 Stunden!
Das Equipment
wurde gesichtet, im Netz Tipps eingeholt und kleine Lücken
geschlossen. Das erste Brevet in klassischer Roadbook Manier
(eingeschweißt an den Lenker), wenn´s nervt kann man ja später
elektronisch nachrüsten. Für die wenigen Nachtstunden kein
Nabendynamo mitschleppen sondern Helmleuchte (Sigma Karma) und StvO
zugelassene Batterieleuchte (Sigma Ixon 40 Lux), Schutzbleche gegen
den angekündigten Regen, Ötztaler give away Rucksack (kleinster von
Deuter) statt der schwereren Tasche für die Sattelstange mit
Ersatzklamotten, Oberrohrtasche für die Vollkornbrote mit Wurst und
Käse, gegen den Riegel- / Gel-Mix, große Satteltasche mit Flick- und
Ersatzzeug, zwei Rücklichter und schon wurde aus dem Rennrad ein
Randonneure-Rad!
Alles
lief gut in der Vorbereitung, bis zum Jedermannrennen, bei dem ich
stürzte und mir drei Finger mit Absprengung von Knochenleisten
mächtig verdreht habe. Geht es weiter?
Nach einer Woche Gips, gab es kleine Schienen und mit ihnen
erste positive Versuche auf dem Stadtrad, nach zwei Wochen nen
Rennradcheck und dann gleich die erste 100er Runde; für die Hand war
Radfahren Labsal!
Also stand dem Programm nichts mehr im Weg, Glück gehabt! Beide
"400er" liefen gut und somit stand dem Start zum 400er nichts mehr im Weg.
Als Rookie entsprechend nervös um 6:30 am Startort in Grebenstein
angekommen, 10
Mitstreiter, die meisten Wiederholungstäter, klar sind die
ehrfurchtgebietenden Worte
"Paris Brest Paris" gefallen. Startkarte bekommen, Kaffee getrunken,
Rad fertig gemacht, ARA-Kleber auf die richtige Helmseite, damit die
Starter aus dem Norden einen auch erkennen, Bild gemacht und los
ging´s!
Woran merkt man am Start, dass man an einem Brevet teilnimmt und nicht an einem Jedermannrennen? Das Feld ist deutlich kleiner, ein
MTB fährt mit, . . .
. . . jedenfalls nicht am Speed, denn die sechs Racer haben uns in
den Hügeln des Reinhardswaldes an unsere Pulsschwellen gebracht,
nach 15 von 400km! Wir haben abreißen lassen und wussten damit: ein
Pas des deux für 385km.
Die Racer waren uns auf dem Bild eigentlich schon entfleucht, hätte
ihr Navi sie nicht . . . .
Vom Reinhardswald ging es über einsame, wellige Straßen und
die Hochebenen des Oberwälder Landes zur ersten Kontrolle einer
Tankstelle in Borgentreich.
"Die Anderen sind erst seit ner Viertelstunde weg!", . . . erst?!?
Die erste Zange, Kontrolle Rheder, war echt aufregend, wir haben
Jahrzehnte vorher nie eine Kontrolle "suchen" müssen.
Weiter ging´s durch das zunächst sanfte Lipper Bergland zur Zange
bei Silixen hinterm Berg und weiter nach Vlotho, dem westlichsten
Punkt unserer Reise. Auf dem Weg dahin so richtig nass geworden und
immer wieder Höhenmeter gefressen,
doch zum Glück kam die Sonne heraus und so wurde es nie kalt. Trotzdem
kamen trübe Gedanken ob wir 400 km mit viel Regen fahren können?!?
Ein
Imbiss war unsere Rettung, denn die Strecke ist dünn besiedelt und
man sollte rechtzeitig an Wassernachschub denken. Wenn du einen
Laden in der Gegend brauchst, dann gibt es keinen oder er hat am Samstagmittag
schon zu!
Wellig flach die letzten Kilometer nach Vlotho dort die erste längere Rast in der
Kontrollstellen Tanke Rückenwind, flach bis zum Mittag und damit bis zur Hälfte der
Strecke gehen.
Das Wetter hielt bis zur Abfahrt bei Uwe in Großenwieden. Dort gab
es klasse Gulasch mit Nudeln und einen richtig netten Gastgeber. Beim ersten
Brevet waren wir aufgeregt-gehetzt, so dass wir den Kaffee völlig
vergessen haben, beim nächsten Mal, Uwe!
Zunächst trocken ging es am Rand von Süntel nach Lauenau zur
nördlichsten Kontrolle, klar, dass mal wieder Regen im Spiel war,
es sollte der - fast -letzte werden. Am Rand des Deisters kamen dann
die letzten Tropfen herunter; ab Coppenbrügge war damit komplett
Schluss.
Ein Wort zu den Menschen an den Kontrollen: Da wir nicht die ersten
waren, mussten wir sowieso nie unser Ansinnen erklären, dennoch
haben aber alle Stempler nachgefragt, uns aufgemuntert und waren
einfach total nett, trotz der doch etwas ungewöhnlich (riechenden)
Menschen *grins*
Auf die 300 km zufahrend dreht sich die Pedale nach den kurzen
Hügeln im Flachen wieder locker. Der Ith stellt den letzten großen
Klotz dar, der bei Sonnenschein aber jeden Schrecken verloren hat,
hier ist es einsam, warm und schön!
Bei der Kontrolle Föllziehausen genießen wir die Abendsonne und
planen den letzten Abschnitt im Hellen. In Bodenwerder müssen letzte
Vorräte gebunkert und die Nachtauglichkeit hergestellt werden. Beim
Anziehen geht der Reißverschluss an den Überschuhen kaputt. Der
total nette Tankwart zückt sein Werkzeug und lässt mich in seinem
Verkaufsraum auf dem Boden mein Zeug flicken; immer wieder nur nette Menschen
getroffen.
Die Nachtfahrten - vom Nürburgring her bekannt und geliebt - gaben zum
Einstieg mit einem wunderbaren Sonnenuntergang über der Weser ihr
Bestes. Kaum Dunkel, werden 300 km gefeiert, mein Maximum bisher 270
km bei der Platinrunde des Alpenbrevets. Schon treffen wir
das Grupetto der im Norden Gestarteten wieder, wie bereits nach 100 km;
pünktlich wie die Maurer, obwohl sich dieser Haufen mittlerweile über ca 50 km
verteilt hat - wie unserer wohl auch.
Am Rand vom Solling Kohlenhydrat- und Batterie-Energie nachschieben.
In Beverungen hat die Kontroll-Tanke schon zu, als wir gegen 11 Uhr
eintreffen. Doch die ungläubig staunenden Menschen im Imbiss
waren noch viel besser. Kopfschüttelnd unsere ausgelassene Stimmung
betrachtend, weil sich zwei zweier Teams, die in gegensätzlicher
Richtungen unterwegs sind, getroffen haben. "Wie, ihr bekommt das
nicht bezahlt", "Wann arbeitet ihr denn?", viele gute Fragen!
Nochmal rein in die Solling Berge zum Schloss Nienover, danke Uwe,
um dann bis zum südlichsten Punkt mit Highspeed am Wasser flach
durch die windstille Nacht zu rollen. Zum Glück war die Strecke ein
Heimspiel für uns und wir brauchten das Roadbook nicht mehr. Hier hat sich mein Hirn
ausgeschaltet, ich war müde. Jetzt machten sich die harten
Arbeitswochen bemerkbar; ich hätte gerne geschlafen - aber das
lohnte sich bei so wenigen Kilometern als Restprogramm nicht. Auch
der Hintern meldete sich, kein Wunder, so oft wie wir richtig nass
geworden sind. Aber die Beine haben das Windschattenfahren durch die
Nacht mit fast 30 Sachen im Schnitt geliebt!
Freudsche Fehlleistung des müden Kopfes nach den flachen,
schnellen Kilometern bis zum "letzten" Anstieg: Auf dem Weg aus dem Fuldatal
hinauf zu den Hügeln wussten wir, es geht noch
einmal ordentlich hoch! Das hatten wir wohl zu wörtlich in
Erinnerung: "Du hast gesagt hier geht es nur noch EINMAL hoch, für
so was sind auch schon mal Freundschaften gekündigt worden!" Harte
Worte (halb) im Scherz eines dann doch auch müden Zweit-Hirnes, wenn statt
eines Hügels plötzlich noch ein paar Wellen mehr kommen, nachts um 2
Uhr irgendwo im Nichts in Hessen.
Aber schließlich:
Ein Bild sagt mehr als Tausend Worte
400 km , 4000 HM in 20,5 Stunden
Super schöne, ruhige Strecke; Roadbook ohne offene Wünsche,
Kommunikation und Mitfahrer einfach nett!
Gerne wieder, es war eine großartige Erfahrung!
Fazit: Vorbereitung, Equipment, Fitness haben super zur Strecke
gepasst; ein Wagnis, wie im Vorfeld auch mal befürchtet, war es nur
in der Vorstellung.
Wir denken über 600 km nach . . . . . .
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