bergiges 600er Brevet

Der Start!

 

 

 

 

 

 

 

2018 drittes Brevet, ein 600er der

Weserbergland/Mittelhessen Randonneure

 alles andere außer der Strecke

STRECKE bei:kommt noch

 

 

Hessisch Lichtenau - Leinefelde 0-55 km 21 Uhr - Nacht

Chronologisch gesehen begann es bei bestem Radwetter zu siebt am Autohof in Hessisch Lichtenau, dem zweiten, südlichen Startort von Uwe, mit neuen und bekannten Gesichtern. Auch diesmal war die Vorbereitung hektisch (oder gehört das dazu, oder fühlt sich das einfach immer so an?): Buddy weg, Rad mit neuen Laufrädern nicht gut getestet, Allergieschub, Roadbook kam sau spät, . . . .  Doch welch Glück, dass sich die Wetteraussichten auf SUPER stabilisiert hatten und ich am Start unerwartet meinen Begleiter der TdE getroffen hatte - kurze Erdung schafft Zuversicht!

 

 

Bei schwindendem Restlicht ging es um 21 Uhr gemeinsam los, doch bereits nach 7 km war die Gemeinschaft Geschichte. Die Steigung zum höchsten Punkt des Brevets, Weißenbach 500m NN, lies zwei vorwegpreschen, einen hinten heraus fallen, sich ein Trio bilden und mich dazwischen verweilen - und es war gut so! Mein Kopf war voll und ich brauchte Zeit für mich.

Mit dem Anstieg war einer der härteren Gegner, der (Steile)Hohe Meißner, gleich zu Beginn abgehakt und die rasante Schussfahrt nach Bad Soden auf Cippolini Asphalt bescherte den Highspeed des gesamten Brevets (> 75 km/h) gleich dazu. Beides machte klar worum es bei dem Brevet geht, 600 km Höhenmeter Achterbahn radeln!

Wer von der Werra direkt zur Leine will muss über die Ausläufer des Dün, eben rauf und wieder runter. Alleine im Leinetal bin ich lieber den bekannten Radweg gefahren als alleine auf der B80. Kurz vor Heiligenstadt kommt das Trio auf eben dieser Bundesstraße im Stiele eines Mannschaftszeitfahrens daher geprescht. Seit wann gibt es bei Brevets Zeitfahren?!? Auch zu viert brauchte es noch einige Steigungen, damit die Gruppe homogen lief. An der Tanke nur kurz etwas getrunken, durchgeschnauft und los!

 

Leinefelde - Osterode 55-107 km eingegroovt durch das welliger Eichsfeld NACHT

Mit dem aufgehenden Mond und dem sanfteren Profil lief es rund und die Gespräche begannen. Vielleicht war ich ja nicht der einzige, der aufgeregt war und erst einmal Stress abbauen musste. Flowig und angenehm unspektakulär erreichten wir Osterode am westlichen Harz Rand.

 

Osterode - KoZa Golmbach, 107 - 172 km NACHT

Der Schwung über die Wellen im Untereichsfeld Richtung Leine wurde an den Ausläufern des Sollings jäh gebremst. Doch die vier Musketiere arbeiteten gut zusammen, wurden ab und an schweigsam, wie überhaupt alle Geräusche vom aufkommenden nebligen Nass geschluckt wurden. Über einsame Wege erreichten wir das Weserbergland.

 

KoZa Golmbach, KoZa, KoZa,  . . . Uwe 172 - 234km, NACHT & Morgen

An den einsamen Bergen und einigen Kontrollzangen später zeigten sich deutliche Unterschiede bei den Musketieren, der Kontrollzangen Parcours diente ja auch nur einem Zweck: Höhenmetermachen!

Langsam graute der Morgen mystisch im feuchten Nebelwald. Gemeinsam haben wir noch Uwe in Großenwieden gegen 7 erreicht.

 

 

 

 

Doch am wärmenden Herdenfeuer bei lecker Suppe und Vielem, was das Radlerherz begehrt, kreisten die Gespräche aller anderen Mitreisenden schnell um . . . ABKÜRZEN!?! Das war nicht meins, denn die Beine waren gut und der Kopf nach der ersten Nacht (noch!) klar und frisch.

 

Großenwieden, KoZa, . . . KoZa 234 - 283 KM irgendwo im Nichts alleine

Zu Viert sind wir noch über die Weser, doch zu Beginn des zweiten, höhenmeter-schwangeren KoZa-Parcours von Uwe, den die Starter im Süden nicht radeln "mussten" (wie auch den ersten) waren wir nur noch zu Dritt.

Am Ende dieses wunderschönen und einsamen, ja auch bergigen Abschnittes sollte es für die nächsten knapp 300 km auf offenerem Gelände und Wind von vorne nur noch eine Himmelsrichtung auf dem Navi geben: Süd!

Immer wieder tauchte die Straße gen "Himmel" unter dem satten Grün der Bäume durch.

 

Irgendwo im weiterhin welligen Nichts zwischen westlichem Weserbergland und Teuteburgerwald werden die seit Stunden lauter werdenden Zwischentöne des Abbruchs in unserer Gruppe unüberhörbar, zudem meldeten Körper und Geist meinen Mitstreitern: PAUSE! Ein Nickerchen im Fichtendickicht war für sie angesagt. Für mich hieß es: Weiterfahren! Damit wurde es wahrscheinlich, ü 300km Restprogramm alleine! Was wird das bedeuten? Im Augenblick der Trennung gab es nur Zuversicht.

 

 

Irgendwo im Nichts - Korbach 284 - 384 sich alleine finden

 

 

Nur ein paar Wellen und Kilometer später in Bad Driburg, bin auch ich platt. Müde Hirne & Körper finden immer einen "rationalen" Grund für düstere Gedanken, um Pausen zu erzwingen? Mein Grund waren: Ersatzbatterien! Gerade den Reservesatz ins Navi eingesetzt kommt Panik auf: Was, wenn die leer werden (die alten haben 300km gehalten . . . ), finde ich noch den Weg in der nahenden Nacht (es war noch irgendwie Morgen). . .  ?!? Neben dem Energie spendenden Drogeriemarkt gab es eine Pizzabude, deren Produkte mich, wie auch schon beim 600er in Kühlungsborn auf den rechten Weg zurück gebracht haben. Pause und Essen, das A & O! Die Minipizza später waren alle Zweifel verflogen. Sich alleine zu Recht finden, sich finden, alleine nicht einsam sein, gelang mit vollem Bauch am hellen Tag einfach besser.

Die nächsten 80 km führen dann zum hessischen Bergland, dass für mich immer südlich der A 44 beginnt, die ich schon unzählige Male von West nach Ost mit dem Auto gefahren bin, heute zum ersten Mal über ihr auf dem Rad Richtung Korbach. Hier die ersten Starter von anderen Startorten getroffen und hoch zum Waldeckerland geschaut. Uwes Höhenmeterorgien starten wieder! Mit der Massenhausener Höhe hatte er wieder ein richtiges Brett in den Weg gelegt und das gleich als Doppelachterbahn mit giftigen, zweistelligen Prozenten. Doch auch erste Tropfen konnten nur kurz schrecken, es blieben die einzigen der 600km!

 

Korbach - Marburg(Pause) - 384 - 451 km 19:30

Korbach, Dank Hessentag war hier die Hölle los, doch trotzdem nur nette Menschen unterwegs. Proviant gebunkert, genüsslich ein Eis gegessen und los Richtung Marburg! Die folgenden fast 30 km Bundesstraße waren bei dem Hessentagsverkehr nicht ohne, aber die Radwege waren keine Alternative, wie ich getestet habe. Also den Seitenstreifen nutzen, Kopf runter und mit Speed das abschüssige Stück entlang heizen. Etwas, das mit dem Grünen Geparden getarnt als Packesel zudem mit seinen supertollen, neuen Hufeisen auch leicht fiel.

Gut, dass ich nicht wusste, dass mit den 10 km nach Rosenthal im Lahn Dill Bergland eine gestufte Himmelsleiter wartete. Gefühlt nie enden wollende, z.T giftige Rampen fordern mentale Gelassenheit; wenn ich nicht weiß, wann eine Steigung zu Ende ist, dann sollte ich mir auch nix vorstellen sondern mich erst dann freuen, wenn es wirklich bergab geht; "Enttäuschungen" rauben mir Kraft! Und die brauchte ich noch, z.B. für den kürzeren Gegenanstieg nach Bracht. Doch Marburg kommt trotzdem immer näher. Obwohl es in meiner Vorstellung mein Zufluchtsort war, ich habe nie auf die Uhr geschaut, wusste nie, wie spät es war, habe nicht kalkuliert, wann ich da sein könnte. Deshalb bin ich auch nicht in eine meiner eigenen Fallen getappt, wie z.B. einer bestimmten Zeit "hinterher zu laufen"; wer sich nichts vorstellt ist da, wenn er da ist. Für mich heißt Brevet fahren, so dosiert fahren, als ob es nie aufhören würde.

Marburg im Hellen, das war ja unübersehbar, war ein Geschenk, ein absoluter HAMMER!

 

Pause bei Freunden - gemogelt?!?

Darf man bei einem Brevet die Bequemlichkeit von Freunden nutzen, nur weil der Track (=heilig) 100m Luftlinie bei ihnen vorbei führt? Spontane Frotzelei vom Kumpel, das zählt dann nicht mehr als Brevet, haben mich umgetrieben, genau wie meine Rechtfertigung bei PBP machen das alles Fremde, so what?!? Und natürlich hab ich Schlafack und Isomatte brav 630 km spazieren gefahren, mensch weiß ja nie! Damit habe ich mich echt beschäftigt! Doch beim Schreiben kenne ich die Antwort, klar gilt das, denn es ist meine Prüfung! Zudem war es toll sie zum ersten Mal zu besuchen und he, die 5, ja, in Worten fünf Stunden Pause habe ich mir ernsthaft erradelt!

Stunden vor dem Wecker schrecke ich hoch, da hatte mein Hirn wohl nachgerechnet und befunden, dass es mit einer längeren Pausenzeit knapp mit der Kontrollzeit werden könnte. Recht hatte es, drei Stunden vor Kontrollschluss bin ich letztlich angekommen, vier wollte ich eigentlich noch schlafen . . . . hinten heraus hetzen - das klappt nicht. Beim 170 km Restprogramm habe ich es genossen, nicht gehetzt zu sein: beim Bildermachen im Morgennebel, dem Powernap und dem klaren Bekenntnis zum zweiten Kaffee beim Frühstück in Ziegenhain.

 

Marburg - Gießen - Malsfeld 451-582, wieder NACHT und Morgen

Der Start nach der Nacht war nicht nur wegen der miesen, Straßen in der zersiedelten Flußniederung holprig, das warm Werden dauerte und mein Hirn spielte mir einen Streich: das Tretlager knackt! Es hat sich bestimmt losgerüttelt, ich habe es nicht fest gezogen beim Umbau vor dem Brevet und nu ist das Minitool zu kurz . . . . das noch müde Hirn erneut auf Abwärtzspirale.

So düster wie das Bild, war die Stimmung, Minitool zu kurz

Auch auf den Tanken in Gießen kein Erfolg mit der Werkzeugsuche. Nur einer der Nachtschwärmer, ein crazy Boy mit vielen, wilden, südamerikanischen Geschichten, war (m)ein rettender Lichtblick. Nicht nur, weil er mir auf dem Motorrad beim Zwangsumweg (Baustelle) zum Kontrollposten Orientierung und Geleitschutz im Großstadtdschungel gab, auch das Gespräch beim gemeinsamen Kaffee war heilsam. Wie hieß es im Rennrad News Forum so richtig: Brevetfahren ist wie tindern nur ohne Sex!

Und dann fahre ich weiter, ja, es knackt, aber doch nicht immer und mehr passiert nicht. Dann kommt der Nebel und lenkt ab, dann die Berge im Vogelsbergkreis und dann ist das Tretlager vergessen und ich eingetaucht in diese wundervoll geschwungene Landschaft - Höhenmeter machen mir heute nix - mit gutem Belag, leider im Dunklen . . .  .

In den klareren Höhenlagen beginnt das Morgengrauen, völlig ohne Schrecken, auch wenn jedes Bildmotiv dankbar als Anlass zur Pause genutzt wird, wie jede Kreuzung zur Orientierung mit dem Roadbook (Warum kein Navi, ist eine andere Geschichte . . .); ich bin mir in diesen Augenblicken sehr bewusst, mir dadurch viele Pausen zu ermöglichen, ich brauche sie nämlich jetzt, aber das macht nichts, denn ich bin schon auf dem direkten Rückweg, keine 100 km mehr entfernt ( Hundert Kilometer gehen immer . . . ) und habe noch Stunden Zeit bis 13 Uhr, es ist ja noch quasi dunkel!

 

Und dann sind die Berge im Vogelsbergkreis geschafft und die Abfahrt steht an, aber das traue ich mir in diesem Moment nicht mehr zu und dann kommt es, mein Brevet-Hotel für einen wunderbaren Powernap, der Frische bis ins Ziel verlieh!

Editiert:

Denkste, das Nickerchen hat 50km später statt gefunden, wie ich an der Abfolge meiner Bildern sehe. Ich bin im Vogelsbergkreis sofort abgefahren und nach der Abfahrt aus den Höhen, kam das Frühstück in Zigenhain mit dem doppelten Kaffee, die lange Einzelzeitfahrstrecke auf der Bundesstraße Richtung Homberg Efze UND die knapp 200 HM Steigung zum Goldberg! Das alles an die falsche Stelle gepackt?!? Oh ha, das zum Thema "mentale Frische"!

 

Die Abfahrt zum Dank wieder mit Zauberbildern. Oben schon Sonne unten hielt sich der Nebel länger. 

 

Bauchschmerzen melden sich, weil das süße Zeug nicht mehr hinein geht, aber auch nix anderes da ist. Ruhe bewahren, geht nur noch bergab, der Morgen ist da und ein Bäcker wird kommen. Und er kam in Ziegenhain. Eigentlich noch geschlossen, bekam ich - bemittleidenswürdige Gestalt - zwei Käsestullen frisch geschmiert und Kaffee. Hier habe ich wieder Starter aus anderen Startorten getroffen.

Mit den aufgeladenen Akkus gelang es auch, den Verfahrer Richtung Homberg Ohm weg zu stecken, der mir 30 statt 3 km Einzelzeitfahren auf der B 254 bescherte . . .  die intellektuellen Fähigkeiten schwinden also doch langsam. Gut, dass nur eine Handvoll Wagen zu der Zeit unterwegs waren. Zum Dank gab es auf dem Weg nach Malsfeld noch ordentlich Höhenmeter. Doch der Autopilot war schon wieder drin, so hätte ich es vielleicht auch auf den Mount Everest geschafft, vielleicht. Einfach links treten, rechts treten und nicht denken, zweifeln, rechnen, es kommt, wie es kommt - und bisher stehen alle Zeichen auf GO! Bitte nicht missverstehen, ich bin nicht dauernd mit hängendem, leeren Kopf gefahren, ich habe das Radeln durch unbekannte Landschaften noch leidlich genießen können, wenn auch der Hintern langsam platt war. Sonst gab es keine Verspannungsmeldungen wie beim flachen 600er, Berge fahren scheint diesbezüglich genug Abhilfe zu schaffen.

Aber auf dem Gipfel des Goldberges war ich plötzlich platt und diese Abfahrt habe ich mir in diesem Moment nicht mehr zugetraut ca. 40 km vor dem Ziel. Da war ich wohl doch ein wenig zu schnell auf der Bundesstraße gewesen. Und dann kommt es, mein Brevet-Hotel in Lengemannsau für einen wunderbaren Powernap, der Frische für das Restprogramm verlieh!

Damit klappte auch wieder die rasante Abfahrt nach Malsfeld.

 

Malsfeld - Hessisch Lichtenau - ZIEL! 582 - 612 Tour d´Honeure

Am Fuß der letzten und zudem bekannten Steigung, auf kurz kurz gewechselt und dabei Massen von Rennrad- und Brevet Fahrern getroffen. Die gut 25 Km mit knapp 300 HM Steigung sind trotz kleiner Stiche bedeutungslos, denn das Kopfschütteln über das Erreichte hatte schon begonnen. Dann geht es schnell: Retterode, Heli, Autohof ich bin am Ziel und mein Kopf ist schlagartig leer. Schade, den Moment mit niemandem teilen zu können. Dennoch ein befriedigendes Gefühl, es geschafft und tiefe Zufriedenheit darüber, dies zu Ende gebracht zu haben obwohl ich über die Hälfte der Strecke alleine unterwegs war.

 

 

 

Bevets immer wieder gerne, eine wunbderbare Art Landschaften zu erfahren! Und ok, wenn dann mal die ein oder andere Nacht pro Jahr dran glauben muss.

 

 alles andere außer der Strecke